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100 Jahre Panzer: von „Little Willie“ zum mysteriösen „Wasserträger“

Geschichte
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Die Testläufe für den ersten Fahrzeugprototyp, den No 1 Lincoln Machine, verliefen sehr erfolgreich. Im September 1915 berichtete Ernest Swinton, „Vater“ des Panzers, seinen Befehlshabern frohlockend: „Seeleuten ist es gelungen, den ersten Prototyp eines Kettenfahrzeugs zu konstruieren, das 1,3 m breite Gräben und 1,4 m hohe Hügel überwinden kann. Es kann um seine Achse rotieren wie ein Hund, der einen Floh an seinem Schwanz jagt.“ Doch tatsächlich war es um das Fahrzeug nicht so gut bestellt: Das Traktorchassis konnte dem Druck, dem seriengefertigte Fahrzeuge täglich ausgesetzt sind, nicht standhalten und die Ketten gingen ständig kaputt. Es war dringend notwendig, entweder den Prototyp aufzurüsten oder so schnell wie möglich eine andere Lösung zu finden.

Die Konfiguration und Bewaffnung des Prototyps

Die Wanne des Fahrzeugs erinnerte an einen Kasten. Im Vorderteil (in der Fahrerkabine) saßen zwei Fahrer mit unterschiedlichen Aufgaben. Der Fahrer rechts verwendete Pedale, um den Motor zu bedienen, wechselte mit einem Hebel den Gang und steuerte das „Spornrad“ mit einer Winde. Der Fahrer links war für die Ketten zuständig (getrennte Steuerung der linken und rechten Kette) und bestimmte deren Laufgeschwindigkeit mit einer Handbremse.

Das Hauptproblem beim Bau des ersten Prototyps war die Notwendigkeit, innerhalb kürzester Zeit die höchstmögliche Qualität zu liefern.

Am Heck der Wanne befand sich der Getrieberaum mit einem 105-PS- Foster-Daimler-Benzinmotor. Der Kampfraum befand sich in der Mitte des Fahrzeugs, doch der No. 1 Lincoln Machine verfügte noch über keinerlei Bewaffnung. Eine drehbare Wanne wurde ebenfalls für den Prototypen entwickelt, wurde jedoch nicht montiert.

Die Bewaffnung des neuen Fahrzeugs war unter den Ingenieuren und Militärangehörigen ein heiß diskutiertes Thema. Die Entwickler wollten den Panzer mit der 40 mm starken Vickers-Automatikkanone ausrüsten. Doch Stanley von Donop, Master-General of the Ordnance, warnte, dass die Lieferung einer großen Menge dieser Geschütze etwa sechs Monate dauern würde. Da „Maschinengewehrzerstörer“ nur in Serienfertigung etwas taugten, war es nötig, direkt zu Beginn und ohne Verzögerung die richtige Waffe zu wählen. Unter den Arbeitern erzählte man sich einen Witz: „Wenn der Krieg morgen vorbei ist, stehen wir ziemlich blöd da“. Leider sollte der Krieg erst eine ganze Weile später enden.

Der Preis der Verzögerung

Während die Ingenieure und das Militär sich hinsichtlich der Fahrzeugdetails die Köpfe zerbrachen, stand eine weitere große Operation an der Front bevor. Die kombinierten Streitkräfte des britischen Empire und Frankreichs bereiteten einen Angriff nahe Loos in Nordfrankreich vor. In seinem Buch zum Ersten Weltkrieg betitelte der britische Historiker Basil Liddell Hart sein Kapitel über die Operation „Ein ungewolltes Gefecht“. General Douglas Haig sah das Vorhaben pessimistisch: „Die Landschaft ist hauptsächlich flach und offen. Sie ist Maschinengewehr- und Gewehrfeuer aus den deutschen Gräben und befestigten Dörfern hinter der Frontlinie ausgesetzt. Ein schneller Vormarsch wird nicht möglich sein.“ Leider hörte der französische Führungsstab nicht auf ihn. Das Ergebnis? „Dies war ein tragischer Tag ohne auch nur einen einzigen Funken des Erfolgs, der den bitteren Geschmack vergessen machen könnte”, heißt es laut der offiziellen britischen Geschichte zum Ersten Weltkrieg. Den Statistiken zufolge wurden zwischen dem 25. September und Mitte Oktober 1915 etwa 60 000 Mann getötet oder verletzt.

Britische Schützen in Gasmasken. Schlacht von Loos, September bis Oktober 1915Mit britischen Panzern an der Front hätte diese furchterregende Zahl niedriger ausfallen können. Der Fehler lag nicht bei den Ingenieuren. Denn diese taten alles in ihrer Macht stehende. Doch zu jener Zeit wurde noch immer an dem No 1 Lincoln Machine gefeilt. Ein verbesserter Prototyp war fast bereit, als die britische Regierung Winston Churchill, den wichtigsten Fürsprecher Swintons und seines Teams, entließ und an die Front schickte.

Churchill sah, dass es den Soldaten an Unterstützungswaffen fehlte. So versuchte er, die Offiziere zu inspirieren: „Etwa siebzig Kettenfahrzeuge werden aktuell in England fertiggestellt. Sie sollten nicht verwendet werden, bis alle bereit sind. Sie können mit jedem Hindernis umgehen und Gräben, Brüstungen und Gruben überwinden. Sie sind mit zwei bis drei Maxim-Geschützen ausgestattet. Jedes Fahrzeug kann darüber hinaus mit einem Flammenwerfer ausgerüstet werden. Aufgehalten werden können sie nur durch den direkten Treffer einer Feldkanone.“ Doch die Geschichte wählte einen anderen Weg – sie nahm einen fast ein Jahr dauernden Umweg.

Ende November 1915 war der verbesserte Prototyp namens „Little Willie“ bereit. Die Wanne wurde aus vernieteten Stahlkesselplatten gefertigt. Sie unterschied sich von ihrem Vorgänger und war an der Vorderseite mit einem Vorsprung ausgestattet. Die Führungsrollen des Laufwerks waren angehoben, damit „Little Willie“ leichter unebenes Terrain überqueren konnte. Das Fahrzeug war für neue Testfahrten bereit. Die Panzerentwickler jedoch sagten sich von ihrer Schöpfung los, da sie mit der Arbeit an einem neuen Projekt begonnen hatten. Dieses wies eine andere Konfiguration (ohne Turm) und eine anders platzierte Bewaffnung auf. Swintons Erinnerungen zufolge war die Idee von „The Land Ironclads“, einer Geschichte von H.G. Wells inspiriert.

Als das Fahrzeug benannt wurde, war es noch immer ein Mysterium.

Was steckt hinter dem Namen?

Eustace Tennyson d’Eyncourt, Vorsitzender des Landships Committee, betrieb hinsichtlich der vielversprechenden Schöpfung von Swinton und seinen Kollegen eine obsessive Geheimniskrämerei. Selbst britischen Flugzeugen wurde das Überfliegen der Foster-Fabrik untersagt, während der Panzer noch im Bau war. Doch noch immer bestand das Risiko von Informationslecks. Daher musste ein neuer Codename für das Fahrzeug erdacht werden – zumindest als Ablenkung – der potenziellen Spionen keine Rückschlüsse bot. Die Hauptbedingung war, dass kein Bezug auf Schiffe genommen werden durfte, auch wenn es sich um Landschiffe handelte.

Zusammenbau der Wanne des «Little Willie»Am 4. November 1915 wurde der Prototyp als „Wasserträger“ betitelt. Dieser Name wurde bis Weihnachten verwendet. Am 24. Dezember entschlossen sich Swinton und Lieutenant Daley Johns vom Committee of Imperial Defence dazu, die Bezeichnung zu ändern. Zu den möglichen Kandidaten zählten „Behälter“, „Zisterne“ und sogar „Reservoir“. Schließlich entschloss man sich für das kurze und knackige „Tank“. Die Deckgeschichte besagte, dass in der Fabrik Wassertanks hergestellt wurden.

Selbst die Form der Wanne war nur wenigen ausgewählten Personen bekannt. Verschiedene Tests wurden hauptsächlich in der Nacht durchgeführt. Eines Tages entschlossen sich die Ingenieure dazu, die Panzerung des Fahrzeugs zu testen. Dafür baten sie den Geheimdienst, die Defence Intelligence, einige deutsche Granaten zu besorgen.

Die Feuerübungen wurden am 12. Januar 1916 in einem Feld unweit der alten Lincoln-Kathedrale abgehalten. Wilson und Hetherington schlossen eine Wette ab. Letzterer wettete 50 Pfund darauf, die Wanne mit dem ersten Schuss treffen zu können. Ob durch eine schlecht durchdachte Positionierung des Fahrzeugs oder durch schlechtes Zielen: der Schuss führte fast zur Katastrophe. Nach Hetheringtons Schuss kam es zur Fehlzündung, doch die Geschosskappe zündete schließlich doch und der verzögerte Schuss schickte die Granate direkt in Richtung der Kathedrale. Die besten Ingenieure des Vereinigten Königreichs versuchten, vor dem anderen die Unversehrtheit der Kirche festzustellen und suchten zwei Stunden lang mit Schaufeln und Suchscheinwerfern nach der Granate.

«Little Willie» während TestsBei weiteren Testdurchgängen zeigte sich, dass die Panzerung so einiges aushielt. Die letzte Testrunde sollte schließlich die Kampfstärke des Fahrzeugs unter Beweis stellen. Zunächst sollte die Vorführung im Wembley-Stadion stattfinden. Dann entschied man sich jedoch für das Anwesen der Marquess of Salisbury, wo der Prototyp auf Schienen eintraf. Unter Swintons Leitung wurde eine Barriere für das Fahrzeug errichtet und die Tests wurden für den 2. Februar 1916 eingeplant.

Das Anwesen war mit ranghohen Militärs und den führenden Politikern des Vereinigten Königreichs überlaufen: David Lloyd George (Munitionsminister), Arthur Balfour (Außenminister), William Robertson (Chef des imperialen Generalstabs) sowie andere. Auch Lord Horatio Kitchener selbst war an diesem Abend zugegen, obwohl der Kriegsminister als Hauptgegner für den Kriegseinsatz von Panzern galt. Bei Sonnenuntergang begrüßte ein riesiges, diamantförmiges Monster die Gäste mit dem donnernden Gebrüll seines Motors. David Lloyd George war äußerst beeindruckt: „Ich war beeindruckt und kam aus dem Staunen nicht mehr heraus, als ich die hässliche Bestie sah, die sie „königlichen Tausendfüßler“ nannten.“ Das war der spektakuläre Erstauftritt des ersten seriengefertigten Panzers.

Referenzen:
  • Fedoseev S. L. Tanki Pervoy mirovoy. M., 2012.
  • Glanfield J. The Devil’s Chariots. Osprey, 2013.
  • Neillands R. The Great War Generals on the Western Front 1914-18. London, 1999.
  • Stern A. G. Tanks 1914-1918. The Log-Book of a Pioneer. London, 1919.
  • Swinton D. E. Eyewitness. Being Personal Reminiscences of Certain Phases of the Great War, Including the Genesis of the Tank. New York, 1933.
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