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Ehemaliger deutscher Nationalfeiertag: 17. Juni 1953

Kommandanten!

Wie wir alle wissen, ist der Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober unser Nationalfeiertag. Doch was nicht alle wissen, ist, welcher der deutsche Nationalfeiertag vor der Wiedervereinigung Deutschlands war: der 17. Juni. Doch warum? Lest weiter und erfahrt die Geschichte dahinter.

 

Die DDR in der Krise

Nach der Aufteilung Deutschlands herrschte vor allem im östlichen Teil große Unzufriedenheit unter den Menschen, vor allem aufgrund politischer Probleme. Die SED (Sozialistische Einheitspartei Deutschlands), die damals an der Macht war, verfolgte das Ziel, den Sozialismus in Ostdeutschland durchzusetzen. Darunter fiel auch die Stalinisierung der Gesellschaft, was heißt, dass das Land nach Stalins Vorbild dem Kommunismus unterworfen werden sollte.

Die Wirtschaft war während dieser Zeit in einem äußerst kritischen Zustand, was unter anderem an der Instandhaltung und dem Ausbau des sowjetischen Militärs lag, was viele Ressourcen benötigte. Die Arbeiter standen permanent unter hohem Druck, da das Geld durch sehr niedrige Löhne und horrende Preise für Lebensmittel stets knapp war. Sie mussten täglich hart arbeiten, um sich und ihre Familie über Wasser halten zu können. Allgemein gab es zu dieser Zeit nur wenig zu essen, da der Hauptfokus auf der Schwerindustrie lag und nicht genügend Bauern vorhanden waren, bzw. deren Besitz konfisziert wurde.

Gesellschaftlich litt die Kirche sehr stark unter dem SED-Regime, denn ihre Anhänger wurden oft öffentlich gedemütigt und die jeweiligen Kinder und Jugendlichen aus Schulen und Hochschulen verwiesen, da das Christentum dem sozialistischen Aufbau der DDR im Weg stand. Der riesige Unterschied der Lebensqualität zwischen Ost und West führte dazu, dass jährlich Hunderttausende Menschen aus der DDR in den Westen flüchteten.

 

Zu viel des Guten

Am 14. Mai 1953 beschloss die SED, die Arbeitsnormen noch weiter zu erhöhen, was bedeutet, dass die Arbeiter bei gleichem Lohn 10 Prozent mehr Arbeit leisten sollten. Da dies für einen großen Teil der Arbeiterschaft nicht möglich war, würde der Lohn noch niedriger für sie ausfallen. Dieser Beschluss wurde dann am 28. Mai veröffentlicht und verursachte noch mehr Unmut zwischen der Bevölkerung. Kleinere Streiks waren die Folge.

Doch erst am Morgen des 16. Juni fingen die ernst zu nehmenden Streiks an – an zwei Berliner Großbaustellen wurde die Arbeit niedergelegt und ein Protestzug entstand, welcher sich zuerst auf dem Weg zum Haus der Ministerien begab. Allerdings machten sie einige Umwege zu weiteren Baustellen, wo sich noch mehr Bauarbeiter dem Protestzug anschlossen. Bei ihrer Ankunft wollten die Gewerkschaftsführer zuerst nichts von ihren Forderungen wissen und wiesen sie ab. Zu dieser Zeit waren bereits 10.000 Demonstranten vor Ort. Die SED-Politiker unterschätzten jedoch den Ernst der Lage. Der Versuch, mit den Arbeitern zu sprechen und sie mit der Rücknahme der Arbeitsnormen zu beruhigen, schlug fehl, da sie bereits höhere Forderungen stellen, darunter der Rücktritt der momentanen Regierung und freie Wahlen.

Zudem wollten die Arbeiter über den Radiosender RIAS (Radio im amerikanischen Sektor) zu einem landesweiten Generalstreik ausrufen, was ihnen verwehrt wurde, allerdings berichtete dieser Sender am Abend ausführlich über die Geschehnisse in Berlin, sodass auch der Rest der DDR darauf aufmerksam wurde. Zudem vergrößerte sich der Streik in den Abendstunden noch weiter, worauf die SED den Alarmzustand erklärte.

       
Gedenkmünze des 17. Juni im Wert von 10 Euro

 

Ein Land in Aufruhr

Am Morgen des 17. Juni nahm der Streik bereits übergroße Ausmaße an. Allein in Ost-Berlin gingen 150.000 Menschen auf die Straße. Die Polizei versuchte einzugreifen, was des Öfteren zu heftigen Auseinandersetzungen zwischen ihnen und den Protestzügen führte. Aber letztendlich konnte sie der schieren Masse an Menschen nicht entgegenwirken. Jedoch war nicht nur Berlin davon betroffen; in über 700 Städten der DDR wurde demonstriert und gestreikt. Eine genaue Zahl an Streikenden war nicht bekannt, nach Angaben waren es über eine Million Menschen. Dem Streikzug fehlte leider eines, womit sie viel mehr hätten erreichen können: Streikleiter. Ohne sie war keine Struktur vorhanden und kein Fokus und Durchsetzungsvermögen auf die Hauptforderungen möglich. Stattdessen verwandelten sich die Streiks zu Angriffen auf öffentliche Gebäude.

Durch den erklärten Ausnahmezustand waren besonders viele sowjetische Truppen und kasernierte Volkspolizisten im Einsatz. Die Situation geriet derart außer Kontrolle, dass sogar das Kriegsrecht verhängt wurde. Gegen Mittag trafen dann die ersten sowjetischen Panzer ein, um die Straßen zu räumen. Falls sich die Demonstranten nicht auflösten, wurde scharf geschossen. Doch das machte einige noch aggressiver, sodass sie anfingen zu randalieren. Erst in den Abendstunden löste sich der Aufstand langsam auf, nachdem die Sowjets die Straßen mehrmals räumen mussten. In den darauf folgenden Tagen kam es immer noch zu Streiks und Aufständen, welche niedergeschlagen wurden, aber diese Ausmaße waren nicht mit dem des 17. Juni vergleichbar.

Die Reaktionen und Folgen des Aufstands

Der 17. Juni war für die SED ein massiver Schlag ins Gesicht; sie erfuhren das Misstrauen und den Frust der Arbeiterklasse am eigenen Leib. Dieses Ereignis bewies, dass die Partei ohne Hilfe der Sowjetunion kaum Macht ausüben konnte. Bis auf die Zurücknahme der Arbeitsnormen wollten sie von den genannten Forderungen jedoch keine umsetzen. Stattdessen versuchten sie, die Ursachen des Aufstands zu vertuschen und behaupteten ohne jegliche Beweise, dass der Westen schuld sei und der „faschistische Putschversuch“ von ihnen gelenkt wurde. In der SED-Partei selbst wurden viele Mitglieder entlassen und ersetzt und auch freiwillige Austritte gab es zuhauf. Um das Vertrauen der Arbeiter zurückzugewinnen, schickten sie Funktionäre in verschiedene Betriebe, wo sie mit weiteren Forderungen konfrontiert oder zum Teil auch ausgebuht und ausgepfiffen wurden.

 

       
Gedenkbriefmarken zu Ehren des 17. Juni. Auf dem linken Bild werfen Jugendliche Steine auf sowjetische Panzer.

 

Schon kurz nach dem Aufstand am 17. Juni stieg die Lebensqualität für die Bevölkerung. Durch den vor dem Streik angekündigten „Neuen Kurs“ wurden die Unternehmungen zum Aufbau des Sozialismus in Ostdeutschland größtenteils eingestellt. Auch die meisten Lebensmittel in den Läden der Handelsorganisation (HO) waren erschwinglicher; die Sowjetunion belieferte die DDR mit Getreide, um die herrschende Nahrungsknappheit einzudämmen.

Unglücklicherweise wurde für diese Errungenschaften ein hoher Preis gezahlt. Nach Angaben wurden bis 1955 etwa 15.000 Menschen verhaftet und verhört, ein merklicher Teil von ihnen wurde zu Gefängnis- und Zuchthausstrafen verurteilt. Leider gab es auch Todesopfer während des Aufstands und in den Monaten nach diesem Ereignis wurden einige standrechtlich erschossen. Die Unterdrückung der Bevölkerung war stärker als zuvor, damit jeglicher Widerstand erstickt werden konnte. Die SED begann mit der aktiven Repression dieses Tages und verfolgte jegliche Aufständische, denn die Angst vor einem „zweiten 17. Juni“ blieb bestehen – bis zur Wiedervereinigung Deutschlands im Jahre 1990.

Letzten Endes war dieser Aufstand ein klarer Ruf nach Einigkeit, Recht und Freiheit und der erste Schritt unter vielen zur Wiedervereinigung von Ost und West, auch wenn viele Opfer gebracht werden mussten. Am 3. Juli 1953 wurde der 17. Juni als offizieller westdeutscher Nationalfeiertag erklärt und kurze Zeit später gesetzlich festgelegt.

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